Reformation und Politik

Diakonie

Diakonisches Werk
im Evangelischen Kirchenkreis An der Ruhr

Hagdorn 1a
45468 Mülheim         [auf Karte anzeigen]

Tel.: (0208) 3003-255
Fax: (0208) 3003-280
E-Mail: gst[at]diakonie-muelheim.de

Öffnungszeiten:
montags, dienstags, donnerstags und freitags: 7.30 - 16.30 Uhr
mittwochs: 7.30 - 13 Uhr
und nach Vereinbarung

Ansprechpartner:

Hartwig Kistner, Geschäftsführung
E-Mail: kistner[at]diakonie-muelheim.de

Bernd Barfuß, Verwaltung
E-Mail: barfuss[at]diakonie-muelheim.de

Silvia Dittmann, Sekretariat
Email: dittmann[at]diakonie-muelheim.de

Ellen Hirsch, Sekretariat
E-Mail: hirsch[at]diakonie-muelheim.de



Vortrag über die Aktualität der Reformation

Ein Plädoyer für frühe Hilfen in der Erziehung – übrigens ganz im Sinne des Reformators Luther – trug Prof. Dr. Uta Meier-Gräwe in ihrem Fachvortrag zur Themenreihe „Reformation und Politik“ bei.

Bildung für alle, und nicht nur für die die es sich leisten können. Und das Streben nach einem gebildetem Glauben, der sich nicht allein aus spiritueller Innerlichkeit nährt und sich nicht an Konventionen kettet – Reformator Martin Luther wäre mit seinen Forderungen ganz bei denen gewesen, die zum Vortrag über „Bildungsarmut und Sprachbarrieren“ von Prof. Dr. Uta-Meier-Gräwe ins Haus der Evangelischen Kirche gekommen waren. „Wir engagieren uns sehr im Bildungsbereich begrüßte Birgit Hirsch-Palepu, stellvertretende Geschäftsführerin des Diakonischen Werkes die zahlreich erschienenen Zuhörerinnen und Zuhörer. „Das war für uns Motivation, eine solche Fachveranstaltung im Rahmen des Themenmonats Reformation und Politik anzubieten.“ Das Diakonische Werk des Kirchenkreises An der Ruhr hatte zu dem Fachvortrag im Rahmen des Kirchenkreis-Themenmonats zu „Reformation und Politik“ eingeladen.

Nicht nur die Kirche, auch das Bildungswesen habe Martin Luther reformieren wollen, führte Referentin Prof. Dr. Uta Meier-Gräwe in ihren Vortrag ein. „Die allerbesten Schulen für Knaben und Maidlein“ habe der Reformator gewollt. „Und da gibt es noch viel zu tun in unserem Land“, begann die Lehrstuhlinhaberin der Justus-Liebig-Universität Gießen ihre sozialpolitische Bestandsaufnahme. Den 500 Jahre alten Forderungen des Reformators fügte sie einige aktuelle Imperative hinzu.

Bildungsgerechtigkeit sei noch lange nicht realisiert. „Vielmehr sehen wir eine Polarisierung von Lebenschancen“. Eine Kindheit in einer Hochhaussiedlung mit Verkehrslärm, mit einem arbeitslosen (Stief)Elternteil und sich abzeichnenden Entwicklungsverzögerungen habe nun einmal wenig gemein mit dem Aufwachsen im Einfamilienhausidyll, inklusiverer sauberer Luft und Reitunterricht. Die Empfehlung der Wissenschaftlerin: „Herkunft mischen!“ „Wenn wir Projekte mit öffentlichen Geldern fördern, ist es wichtig, dass Kinder aus allen Schichten teilnehmen können. ansonsten verlaufen Kindheiten in verschiedenen Milieus komplett getrennt. Und den Kindern aus gut situiertem Elternhaus fehlt am Ende völlig das Verständnis für die Probleme der ,Anderen‘.“ Kinder aus Familien mit unterdurchschnittlichem Einkommen seien auch immer noch unterrepräsentiert in Krabbelgruppen, beim Babyschwimmen, später in der Musikschule und auch in Sportvereinen.

„Frühe Hilfen rechnen sich“, lautete das eindeutige und starke Plädoyer der Wissenschaftlerin. Dabei stützte sie sich auf eigene Forschungsergebnisse ebenso wie auf eine Studie des US-amerikanischen Ökonomen James Heckman, der für frühe Hilfen eine Rendite von 1:16 ermittelt hatte. „Durch jeden Euro, der für die Unterstützung in frühen Lebensjahren aufgewandt würden, werden die Kassen von Justiz, Sozial- und Gesundheitswesen um später deutlich höhere Ausgaben entlastet. Das alles sollte Grund genug für einen Paradigmenwechsel in Finanzierungsstrukturen sein“, so Meier-Gräwe.

In den Wochen, in denen in Mülheim im Zuge der kommunalen Finanzplanung die Ausgaben für die offene Ganztagsschule diskutiert werden, stieß die Wissenschaftlerin bei ihrem Mülheimer Publikum auf offene Ohren. „Das sollten wir uns in den Haushaltsberatungen zu Herzen nehmen“, war aus den Zuschauerreihen zu hören.

Auch generationenübergreifend nahm Prof. Uta-Meier-Gräwe das Thema Chancengleichheit in den Blick. Wer kümmert sich um die ganz Jungen und wer um die Alten? Oder in den Worten der Wissenschaftlerin: „Unsere Gesellschaft muss die generative Sorgearbeit verlässlich regeln.“ Nur so könnten Männer und Frauen sich gleichberechtigt Erwerbs- und Familienarbeit teilen. Im Herbst 2014 blieb der Wissenschaftlerin nur, einen „Modernisierungsrückstand“ festzustellen, wenn aktuelle Studien noch immer ergeben, dass eine Mehrheit der Männer bei Frauen schlichtweg die besseren Fähigkeiten für Aufgaben im Haushalt vermutet.

Doch die Wissenschaftlerin war nicht nach Mülheim gekommen, um launige Diskussionen über das vermeintliche „Bügel-Gen“ zu führen. Vielmehr ging es um konkrete Forderungen. „Wir müssen Lebensplanungskompetenz erwerben“, so Meier-Gräwe. Das solle, ganz im Lutherschen Sinne, Allgemeinbildung sein und dem und der Einzelnen helfen, gerechte und Erfolg versprechende Modelle für die eigene Berufswahl, Elternschaft, Karriere- , und Pflegezeiten zu finden.

Download: