Ambulatorium

Ein Angebot des Diakonischen Werkes
im Evangelischen Kirchenkreis An der Ruhr

Althofstraße 4
45468 Mülheim an der Ruhr    [auf Karte anzeigen]

Bürozeiten: montags 11 - 15.30 Uhr,
mittwochs und donnerstags 9 - 13.30 Uhr

Ansprechpartner und Terminabsprache:

Heiko Mittelhockamp, Abteilungsleiter

Anke Meyer, Dipl. Sozialarbeiterin
Ute Niewendick, Dipl. Psychologin
Fairouz Chaki, Dipl. Sozialpädagogin

Dr. med. Olaf Lask, Facharzt für Psychiatrie, Psychotherapie
Irmela Hahn, Verwaltung

Tel.: (0208) 3003-223
Fax: (0208) 3003-226
E-Mail: ambulatorium[at]diakonie-muelheim.de



Intensive 90 Minuten

Uli Borowka, Fußballprofi und Alkoholiker, erzählte im Altenhof schonungslos aus seinem Leben

Uli Borowka erzählt so von seinem Leben, wie er Fußball spielte: schnörkel- und schonungslos. Das tat er nun auf Einladung des Ambulatoriums, der Beratungs- und Behandlungsstelle für Alkohol- und Medikamentenabhängige, Spielsüchtige sowie deren Angehörige des Diakonischen Werkes im Evangelischen Kirchenkreis An der Ruhr. Im gut gefüllten Saal 2 des Altenhofs las er aus seinem Buch „Volle Pulle – mein Doppelleben als Fußballprofi und Alkoholiker“ und sorgte für intensive 90 Minuten.

Wie es sich für einen ehemaligen Fußballer gehört, beginnt Uli Borowka mit dem „Anpfiff“. Das erste Kapitel seiner Biografie ist so überschrieben und – man kann es von einem einstigen Abwehrspieler, den sie wahlweise „Eisenfuß“ oder „Axt“ nannten, nicht andres erwarten – Uli Borowka grätscht gleich voll rein: Vom Jubel nach dem mit Werder Bremen gewonnenen Europapokal zur Verzweiflungstat in der ausgeräumten Villa braucht es da nur ein paar Sätze. Um Dinge herumzureden, ist nicht Borowkas Sache. Und so berichtet er, dass seine Frau damals, im März 1996, mit den beiden Kindern ausgezogen ist, „weil ich sie sturzbetrunken im Streit mit dem Kopf gegen die Wand geschlagen habe“. Spätestens da verstehen die Zuhörer, was Uli Borowka meint, wenn er sagt: „Sie können mich alles fragen. Ich habe mich im Buch schon ausgezogen bis auf die Unterhose.“

Die Anwesenden im Altenhof nehmen ihm beim Wort. Tatsächlich liest er an diesem Abend nur wenig; stattdessen beantwortet er Fragen aus dem Publikum, das durchaus intime Details wissen möchte. Über seinen Selbstmordversuch erzählt er da etwa und vom Absturz, der ihn aus der 250-m²-Villa auf eine vollgekotzte Matratze in einer 18-m²-Bude brachte. Autofahrten im Vollrausch sind Thema und wie die Menschen um ihn herum ihn deckten, wie aus einem Filmriss und einem verpassten Training eine Magen-Darm-Grippe wurde. „Geschämt“, sagt Uli Borowka, habe er sich dann und wann schon mal, aber immer „schnell die nächste Flasche aufgemacht“. Letztlich habe er nach seinem viermonatigen Klinikaufenthalt zehn Jahre gebraucht, um mit sich „ins Reine zu kommen“. Nun sitzt er vor Fremden und erzählt ihnen, dass er seine Eltern früher „nur belogen und betrogen“ hat. Dass seine „Kinder viel mitbekommen und unheimlich gelitten“ haben. Dass er zehn Jahre gar keinen Kontakt zu Tochter und Sohn hatte, Vater und Kinder jetzt aber ein „Vertrauensverhältnis aufgebaut“ haben. Und: „Ich bin Opa.“

Sachlich schildert er all das, würzt das mit der ein oder anderen Fußball-Anekdote über Fouls, Schiris und Otto Rehhagel, mit dem Borowka einst befreundet war und der ihn nun nicht mehr zurückruft, und schafft es trotz des schweren Themas zu unterhalten. Authentisch ist UIi Borowka und spricht scheinbar für viele Anwesende. Immer wieder sieht man Nicken im Publikum. Wenn er „kontrolliertes Trinken“ ablehnt, beispielsweise: „Ich bin trockener Alkoholiker. Ich muss trocken bleiben bis an mein Lebensende.“ Das sei jedoch nicht einfach, weil Alkohol gesellschaftlich akzeptiert sei, weil man seltsam angeguckt werde, wenn man nichts trinke. Auch deshalb, sagt Uli Borowka, mache er seine Geschichte so öffentlich: „Ich weiß, wovon ich rede. Ich weiß, was ich falsch gemacht habe. Und genau deshalb bin ich das beste Beispiel, wie man es nicht machen sollte.“

Der Mut Uli Borowkas, so viel von sich preiszugeben, verdient laut Heiko Mittelhochkamp, dem Leiter des Ambulatoriums der Mülheimer Diakonie, hohen Respekt. Auch das Team der Beratungs- und Behandlungsstelle merke in seiner alltäglichen Arbeit immer wieder, „dass es zunehmend schwieriger wird, ein Leben ohne Alkohol zu führen. Wir hoffen, Herr Borowka trägt dazu bei, anderen Menschen Mut zu machen.“ Das hofft auch Uli Borowka selbst und beendet seine Lesung daher mit einem Gedicht des evangelischen Theologen Friedrich von Bodelschwingh, das er als Botschaft verstanden wissen will: „Wenn Du einem geretteten Trinker begegnest, dann begegnest Du einem Helden. Es lauert in ihm schlafend der Todfeind. Er bleibt behaftet mit seiner Schwäche und setzt seinen Weg fort durch eine Welt der Trinkunsitten, in einer Umgebung, die ihn nicht versteht, in einer Gesellschaft, die sich berechtigt hält, in jämmerlicher Unwissenheit auf ihn herabzuschauen, als auf einen Menschen zweiter Klasse, weil er es wagt, gegen den Alkoholstrom zu schwimmen. Du sollst wissen: Er ist ein Mensch erster Klasse!“


Im Gespräch mit der Mülheimer Diakonie hatte Uli Borowka vorab einen ersten Einblick in seine Biografie gegeben. Lesen Sie hier dazu das Interview.